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Warum sind Arbeitnehmer in Deutschland häufiger krankgemeldet als in anderen Ländern? Die Diskussion um einen Karenztag zur Vermeidung unberechtigter Krankmeldungen ist erneut entbrannt. Doch eine genauere Analyse zeigt: Die Ursachen liegen anderswo.
Krankenstand auf Rekordniveau
Nach aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes waren Beschäftigte in Deutschland im Jahr 2023 durchschnittlich 15,1 Tage krankgemeldet, eine wahrhaft hohe Zahl. Doch was steckt wirklich dahinter?
Elektronische Krankschreibung als Treiber
Laut einer aktuellen Studie der Krankenkasse DAK-Gesundheit hat die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) eine erhebliche Rolle gespielt. Die eAU ersetzt den bisherigen „gelben Schein“ und sorgt für eine lückenlose Erfassung aller Krankmeldungen. Früher haben Beschäftigte die Krankenkassenbescheinigung nicht einreichten, was nun durch die digitale Übermittlung ausgeschlossen ist. Experten zufolge liegt der sogenannte „Meldeeffekt“ der eAU bei rund 60 Prozent. Viele der nun erfassten Fehltage existierten folglich bereits zuvor, tauchten jedoch nicht in der Statistik auf.
Infektionskrankheiten weiter auf dem Vormarsch
Neben der verbesserten Erfassung spielt auch die Zunahme von Erkältungs- und Virusinfektionen eine Rolle. Ein Drittel der zusätzlichen Fehltage ist laut DAK auf häufigere Erkältungen und Corona-Infektionen zurückzuführen. Zudem hat sich die gesellschaftliche Einstellung verändert: Während früher viele Arbeitnehmer trotz leichter Symptome zur Arbeit gingen, wird heute aus Rücksicht auf Kollegen schneller eine Krankmeldung eingereicht.
Debatte um einen Karenztag
Die hohe Zahl an Krankmeldungen hat eine Diskussion über die Einführung eines Karenztags ausgelöst. Ein Vorschlag aus Wirtschaftskreisen sieht vor, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag auszusetzen, um möglichen Fehlzeiten ohne ernsthafte Erkrankung entgegenzuwirken. Gewerkschaften und Sozialverbände lehnen diese Maßnahme jedoch entschieden ab und warnen vor negativen Folgen. Sie befürchten, dass sich erkrankte Mitarbeiter dennoch zur Arbeit schleppen könnten – mit allen Risiken.
Misstrauenskultur abbauen
Experten halten weder die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung noch einen weit verbreiteten Missbrauch von Krankmeldungen für die wesentlichen Ursachen des starken Anstiegs der Fehlzeiten. Vielmehr sei dieser auf digitale Meldeverfahren sowie eine generell gestiegene Vorsicht im Umgang mit Krankheiten nach der Pandemie zurückzuführen. Entscheidend sei nun, einer zunehmenden Misstrauenskultur in Unternehmen entgegenzuwirken.
Fazit
Der steigende Krankenstand in Deutschland hat komplexe Ursachen, die weit über bloßes „Blaumachen“ hinausgehen. Die elektronische Krankschreibung sorgt für eine genauere Erfassung der Daten, doch auch das Verhalten der Arbeitnehmer hat sich durch die Pandemie nachhaltig verändert. Unternehmen sind gut beraten, eine offene und gesundheitsbewusste Unternehmenskultur zu fördern, anstatt neue Restriktionen wie Karenztage einzuführen.