Bildquelle: stock.adobe.com
Wichtige Fragen bleiben offen
Mit dem Europäischen Gerichtshof und dem deutschen Bundesarbeitsgericht haben die höchsten europäischen und deutschen Gerichte entschieden, dass alle Beschäftigten ihre Arbeitszeit täglich erfassen müssen. Dem Bundesarbeitsministerium zufolge verstoßen Unternehmen gegen geltendes Recht, wenn sie diese Vorgaben nicht umsetzen. In der Praxis zeigt sich jedoch ein diffuses Bild mit vielen Fragezeichen.
Hintergrund und rechtlicher Rahmen
Ende 2022 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass das sogenannte „Stechuhr-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2019 in nationales Recht überführt werden muss. Folglich müssen alle Beschäftigten ihre Arbeitszeit täglich dokumentieren und Arbeitgeber diese Nachweise aufbewahren. Ferner sind Unternehmen ohne geeignete Arbeitszeiterfassungssysteme gehalten, entsprechend nachzurüsten. Allerdings wurde auch infolge des BAG-Urteils noch immer kein entsprechendes Gesetz verabschiedet, die nationale Umsetzung der europäischen Rechtsprechung lässt also weiter auf sich warten.
Herausforderungen für Unternehmen
Einige Unternehmen sind unsicher, welche konkreten Anforderungen an die Arbeitszeiterfassung gestellt werden und ob es Ausnahmen geben wird, beispielsweise für leitende Angestellte oder für kleine Firmen. Im Ergebnis warten viele Betriebe lieber ab, bevor sie kostenintensive und aufwendige Systeme einrichten. Außerdem ist die so genannte Vertrauensarbeitszeit inzwischen recht weit verbreitet, was die Diskussion zusätzlich verkompliziert. Dazu ist im Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums von 2022 zu lesen, dass Unternehmen im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit zwingend über Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz informiert sein müssen, zum Beispiel durch eine elektronische Zeiterfassung. Eine Aufzeichnungspflicht muss dabei nicht unbedingt eine Kontrollpflicht nach sich ziehen.
Wie geht es weiter?
Innerhalb der Ampel-Koalition gibt es offensichtlich unterschiedliche Meinungen zur Umsetzung der Arbeitszeiterfassung. Einige Politiker fordern Experimentierräume zur Flexibilisierung der Arbeitszeitgestaltung, während andere auf einer strengen Erfassung bestehen. Einig sind sich die Experten jedoch darin, dass die derzeitige Situation sowohl rechtliche als auch praktische Unsicherheiten mit sich bringt.
Die Situation von HR
Für Personalabteilungen bedeutet dies, dass die genaue Umsetzung der Arbeitszeiterfassung weiterhin unklar bleibt. Unternehmen sollten sich auf mögliche gesetzliche Änderungen vorbereiten und entsprechende Systeme planen. Eine sorgfältige Beobachtung der politischen Entwicklungen und eine flexible Anpassung der internen Prozesse sind dabei entscheidend.