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Mit der Einführung der europäischen Entgelttransparenzrichtlinie und ihrer vorgeschriebenen Umsetzung bis Juni 2026 stehen Unternehmen in Deutschland vor tiefgreifenden Veränderungen. Die Richtlinie erweitert und verschärft das bestehende Entgelttransparenzgesetz und soll Entgeltungleichheiten sowie Lohndiskriminierung beseitigen. Auf die Unternehmen kommen diesbezüglich etliche neue Pflichten zu. Doch beinhaltet die neue Rechtsprechung auch Chancen, Prozesse zu modernisieren.
Das Entgelttransparenzgesetz
Seit 2017 haben Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern das Recht, Informationen über ihre Vergütung sowie den Median vergleichbarer Tätigkeiten einzuholen. In der Praxis stößt das Gesetz jedoch auf Hindernisse:
- Der Auskunftsanspruch ist von der Existenz einer Vergleichsgruppe abhängig.
- Kleine und mittlere Unternehmen bleiben unberührt.
- Klare Vorgaben zur objektiven Bewertung „gleichwertiger Arbeit“ fehlen.
Das Bundesarbeitsgericht betonte zuletzt die Notwendigkeit geschlechtsneutraler Lohnsysteme, da pauschale Begründungen wie „bessere Qualifikation“ nicht ausreichen.
Die neue EU-Richtlinie
Die neue Entgelttransparenzrichtlinie führt zu einer erheblichen Erweiterung der Anforderungen an Unternehmen:
Erweiterter Geltungsbereich
Der Anwendungsbereich wird auf Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten ausgeweitet.
Detaillierte Auskunftsrechte
Beschäftigte haben Anspruch auf Informationen über ihre individuelle Vergütung und die durchschnittliche Entgelthöhe vergleichbarer Tätigkeiten, aufgeschlüsselt nach Geschlecht. Unternehmen müssen die Daten binnen zwei Monaten schriftlich bereitstellen.
Transparenz im Bewerbungsprozess
Arbeitgeber müssen bereits in Stellenanzeigen Einstiegsgehälter oder Gehaltsspannen angeben. Die Abfrage bisheriger Gehaltsverläufe wird verboten.
Verpflichtende Berichterstattung
Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten müssen regelmäßig geschlechtsspezifische Lohngefälle analysieren und veröffentlichen. Bei Gehaltsunterschieden von mehr als 5 %, die nicht gerechtfertigt sind, ist eine gemeinsame Entgeltbewertung mit Arbeitnehmervertretungen verpflichtend.
Sanktionen bei Verstößen
Nationale Gesetzgeber müssen Sanktionen ohne Obergrenzen einführen. Unternehmen drohen Schadensersatzansprüche und Reputationsverluste.
Herausforderungen für Unternehmen
Die Umsetzung der Richtlinie bringt erhebliche Herausforderungen mit sich:
Administrativer Mehraufwand
Neue Berichtspflichten, die Analyse von Entgeltsystemen und die Bearbeitung von Auskunftsanträgen erfordern zusätzliche Ressourcen und digitale Lösungen.
Rechtliche Risiken
Verstärkte Durchsetzungsmöglichkeiten können Klagen wegen Entgeltungleichheit wahrscheinlicher machen.
Kosten für Anpassungen
Die Einführung bzw. Anpassung unterstützender Softwarelösungen und Schulungen verursacht zusätzliche Kosten.
Flächendeckende Tarifierung
Die Vergleichbarkeit von Gehältern könnte zu einer Angleichung von Vergütungsstrukturen führen, was angesichts individueller Marktanforderungen erhebliche Auswirkungen haben dürfte.
Chancen für Unternehmen
Die neue Transparenz bietet durchaus auch Vorteile, denn immerhin geht es um den wichtigen Grundsatz „gleiches Geld für gleiche Arbeit“.
Attraktiveres Employer Branding
Gerechte Vergütungssysteme stärken das Vertrauen und die Bindung der Beschäftigten, ein starkes Argument in Zeiten wachsenden Fachkräftemangels.
Modernisierung der HR-Prozesse
Die Integration transparenter Systeme fördert Effizienz und Compliance.
Risikominimierung
Frühzeitige Anpassungen minimieren rechtliche Risiken und Kosten durch Klagen.
Rechtzeitig vorbereiten
Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie markiert einen Wendepunkt im Kampf gegen Lohndiskriminierung. Unternehmen sollten frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um die neuen Anforderungen zu erfüllen, Prozesse zu modernisieren und Transparenz als Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Die Umsetzung bietet eine Chance, bestehende Systeme zukunftssicher zu gestalten und Vertrauen bei Mitarbeitern und Bewerbern zu schaffen.