Mobbing und Resilienz – Wer loslassen kann, lebt gesünder

Mobbing

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Mobbing-Situationen sind insgesamt schwierig zu überstehen. Ist das Mobbing vorbei, geht es den meisten Opfern noch lange gesundheitlich schlecht. Was ich mich aber immer gefragt habe: Woran liegt es eigentlich, dass der eine schneller über diese Erfahrung hinwegkommt als der andere?

Es ist naheliegend, dass das mit irgendeiner Form von Resilienz zu tun haben wird. Resilienz bedeutet schließlich Widerstandsfähigkeit. Ursprünglich kommt der Begriff aus der Physik, wo er das Verhalten eines Gegenstandes beschreibt, sich nach einer Verformung wieder in den Ausgangszustand zurückzubewegen. Es ist also eine Art Elastizität gemeint.

Auch im psychologischen Bereich sollte man sich Resilienz nicht als einen harten Panzer vorstellen, an dem negative Einflüsse abprallen. Vielmehr sind Menschen mit hoher Resilienz einfach beweglicher, wenn es um den Umgang mit Belastungen geht. Unter Stress kommt es, wenn wir es noch einmal physikalisch sehen wollen, zu einer Verformung seelischer Bereiche. Bleiben diese auch nach Abklingen des Stresses verformt, so haben wir das negativste Ergebnis überhaupt, eine posttraumatische Störung. Das Gegenteil ist die beschriebene Elastizität, die die seelischen Bereiche wieder in die Ausgangsposition zurückbringt. Natürlich hinkt auch dieser Vergleich, denn in der seelischen Landschaft haben physikalische Prinzipien nur begrenzt Gültigkeit und jede Erfahrung lässt uns als einen anderen zurück als den, der wir vor der Erfahrung waren.

Der Resilienz-Faktor, der bei Mobbing-Opfern am ehesten darüber entscheidet, ob eine dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigung auftritt oder nicht, scheint mir die Fähigkeit, die Mobbing-Erfahrung trotz aller erlittener Ungerechtigkeit „stehen zu lassen“ und sich wieder dem eigenen Leben und der Zukunft zuzuwenden.

In der Praxis sehe ich die größten Probleme nach erlittenem Mobbing bei Menschen, die nicht damit fertig werden, dass sie überhaupt zum Opfer wurden, dass keine Gerechtigkeit hergestellt werden kann, dass der oder die Mobber „fröhlich so weiter machen“. Diese Position nehmen die allermeisten ein und sie ist nur schwer abzulegen. Wenn man viele Mobbing-Geschehnisse miterlebt, kann man diese Haltung auch nur zu gut verstehen.

Gelegentlich aber sehe ich auch Menschen, die einen Haken hinter die Erfahrung setzen können. „Es bringt mir nichts, weiter darauf herumzureiten“ höre ich dann und das ist natürlich in den meisten Fällen auch die Wahrheit. Die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Gerechtigkeit und den realen Möglichkeiten ist für diese Menschen deutlicher erkennbar als für andere.

Je besser und je schneller es ein Mobbing-Opfer schafft, sich von der Mobbing-Erfahrung abzuwenden und sich neu zu orientieren, um so besser ist die Prognose seiner gesundheitlichen Stabilisierung. Diese Erfahrung habe ich über all die Jahre gemacht und ich weise auch alle meine Patienten auf diesen Umstand hin. Entscheidend dabei ist es, diesen Spagat zu schaffen:

Ich muss den Standpunkt meiner Patienten ernst nehmen und ihnen bestätigen, dass sie Opfer einer ungerechten und krankmachenden Schikane sind. Darüber muss ausreichend lange geredet werden. Gleichzeitig muss ich versuchen, sie dazu zu bewegen, sich nicht länger als nötig mit den Geschehnissen zu beschäftigen. Die juristischen Auseinandersetzungen, die oft nach einem Mobbing-Geschehen anstehen, sind leider eher dazu angetan, die belastenden Erlebnisse wieder und wieder nachzuerleben und dadurch schlechter Abstand zu finden.

„Meine Seele findet erst Ruhe, wenn die Gerechtigkeit wieder hergestellt ist“ ist zwar nachvollziehbar, aber aus ärztlich-therapeutischer Sicht bedenklich und inhaltlich meist falsch. Die Seele findet Ruhe, wenn wir nicht zu lange bei einem belastenden Thema verharren, sondern uns weiterbewegen.

 

Autor: Dr. Peter Teuschel, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, München

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