Das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung

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War da was?

Vor ziemlich genau zwei Jahren verpflichtete der Europäische Gerichtshof (EuGH) die EU-Mitgliedstaaten, ihre Arbeitgeber zur verlässlichen Erfassung der Arbeitszeit der Beschäftigten durch ein taugliches System zu zwingen. Auch in Deutschland entbrannte eine teilweise sehr emotionale Diskussion, Arbeitgeber prangerten das Vorhaben als „Einführung einer Stechuhr im 21. Jahrhundert“ an, während die Gewerkschaften frohlockten. Mit Spannung erwartet man seitdem auf die Umsetzung dieses höchstrichterlichen Urteils auf nationaler Ebene.

Der Sturm legte sich schnell und das zuständige Bundesarbeitsministerium passte sich der allgemeinen Entspannung an. Man ließ ein Gutachten anfertigen und stellte anschließend erschrocken fest, dass die beauftragten Experten einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf identifiziert hatten. Seitdem wird in Berlin eher leise diskutiert – es könnte sonst jemand etwas mitbekommen.

Auch andere Gutachten ergaben eine klare Handlungsaufforderung an den Gesetzgeber. Im Klartext: das deutsche Arbeitszeitgesetz muss gemäß des EuGH-Urteils angepasst werden. Passiert ist seitdem nichts.

 

Unsicherheit allerorten

Die Fachwelt ist sich wie so oft auch mit Blick auf die Folgen des EuGH-Urteils nicht einig. So grassiert beispielsweise die Überzeugung, der Richterspruch gälte bereits seit 2019 auch für Deutschland – unabhängig von einer Änderung bestehender Gesetze. Gestritten wird auch darüber, ob bestimmte Personengruppen von der verpflichtenden Arbeitszeiterfassung auszunehmen sind. Weiterhin wird über die Definition der zu registrierenden Arbeitszeiten und die Grundvoraussetzungen für ein ordnungsgemäßes System zur Arbeitszeiterfassung debattiert. Und natürlich gibt es inzwischen mehrere Gutachten zum Thema, die in wichtigen Punkten zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen.

 

Gesundheitsschutz und Überstunden

Die verpflichtende Arbeitszeiterfassung soll dem EuGH zufolge dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten dienen. Das ist ein gewichtiges Argument – allerdings mit einem pikanten Nebeneffekt: Wird fortan die gesamte Arbeitszeit inklusive der Pausen dokumentiert, so kann auch die Bezahlung von Überstunden leichter eingefordert werden. Schon heute sind Betriebe zur Erfassung der Überstunden verpflichtet, machen dies in der Praxis aber häufig nicht. Außerdem haben die Beschäftigten bisher nur in wenigen Fällen eine rechtliche Handhabe, sich die Aufzeichnungen des Arbeitgebers anzusehen. Das könnte sich je nach Auslegung des Urteils der Luxemburger EU-Richter auf nationaler Ebene künftig ändern.

Eines ist deutlich: der deutsche Gesetzgeber muss handeln und das EuGH-Urteil auf nationaler Ebene umsetzen. Bei der Auslegung des Richterspruchs gibt es allerdings Gestaltungsspielraum. Den Unternehmen in unserem Lande sei alleine schon mit Rücksicht auf die Gesundheit der Beschäftigten und die faire Bezahlung aller geleisteten Überstunden empfohlen, schon heute alle Arbeitszeiten zuverlässig zu erfassen.

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