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Wenn die Freiheit nur auf dem Papier existiert
Externe Expertise einholen, flexibel Kapazitäten steuern, keine langfristigen Bindungen – die Vorteile von Freelancern liegen auf der Hand. Doch Vorsicht: Wo die Grenzen zwischen selbstständiger Tätigkeit und verdeckter Beschäftigung verschwimmen, lauern rechtliche Fallstricke. Der Teufel steckt im tatsächlichen Arbeitsalltag, nicht im Vertragstext. Wer nicht genau hinschaut, riskiert viel.
Die Gretchenfrage
Im Sozialgesetzbuch IV wird abhängige Beschäftigung durch persönliche Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb definiert. Doch wie sieht das in der Praxis aus?
Echte Selbstständigkeit
Ein echter Freiberufler agiert wie ein Unternehmer im Kleinformat: Er bestimmt Arbeitszeiten und -ort eigenständig, trägt das volle unternehmerische Risiko und nutzt eigene Ressourcen vom Laptop bis zur Büroadresse. Entscheidend ist die Marktpräsenz: wer aktiv Kunden akquiriert, Mitarbeiter beschäftigt und Umsatzsteuererklärungen abgibt, demonstriert Unternehmergeist.
Scheinselbstständigkeit
Ganz anders der Scheinselbstständige: Er hängt am Tropf eines Auftraggebers, arbeitet feste Schichten im Firmenbüro, nutzt interne IT-Systeme und nimmt Urlaub nur nach Absprache. Die Crux: Oft entwickelt sich diese Abhängigkeit schleichend. Ein Projekt wird verlängert, die Zusammenarbeit intensiviert – plötzlich ist der „externe Berater“ fester Bestandteil des Teams.
Die Reform der Statusfeststellung
Seit April 2022 gilt ein modernisiertes Statusfeststellungsverfahren mit mehreren grundlegenden Änderungen, die Unternehmen mehr Planungssicherheit bieten sollen. Seitdem kann eine Prognoseentscheidung bereits vor Vertragsbeginn beantragt werden. Es besteht also noch vor Auftragsbeginn die Möglichkeit, den sozialversicherungsrechtlichen Status des Auftragnehmers verbindlich feststellen zu lassen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die später gelebte Praxis dem ursprünglich eingereichten Vertrag entspricht.
Außerdem wurde der Zusammenhang zwischen sozialversicherungsrechtlichem Status und Versicherungspflicht aufgelöst. Die Deutsche Rentenversicherung beurteilt nur noch, ob jemand als Arbeitnehmer oder Selbstständiger einzustufen ist. Die Frage, ob und wie Versicherungspflicht besteht, fällt hingegen in die Verantwortung des Auftraggebers.
Und schließlich wurde ein Gruppenverfahren für standardisierte Tätigkeiten eingeführt: Führen mehrere Personen eine identische oder sehr ähnliche Tätigkeit aus, genügt ein gemeinsamer Antrag.
Das Verfahren ist kostenfrei und wird in der Regel innerhalb von drei Monaten abgeschlossen. Die Feststellung schützt vor rückwirkenden Forderungen – diese können sich im Fall einer späteren Statusänderung auf bis zu vier Jahre belaufen.
Aktuelle Rechtsprechung
Das Bundessozialgericht räumte im Juli 2023 mit einem weitverbreiteten Mythos auf: Ein-Mann-GmbHs bieten keinen automatischen Schutz. Ein Interim-Manager, der als Geschäftsführer seiner GmbH firmiert, aber faktisch im Unternehmen des Auftraggebers eingebunden ist, gilt sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer. Laut Urteil bleiben Faktoren wie die Nutzung der Betriebsinfrastruktur, die Teilnahme an internen Meetings und Reporting-Pflichten gegenüber Vorgesetzten entscheidend.
Tipps zur Vorbeugung
Setzen Sie bei der Vertragsgestaltung auf Weitsicht. Vereinbaren Sie Exit-Klauseln für Projekte, die aus dem Ruder laufen könnten, und strukturieren Sie die Zusammenarbeit über Meilensteine statt täglicher Präsenzpflicht.
Ferner sollten Freelancer ihre unternehmerische Eigenständigkeit aktiv dokumentieren – etwa durch eigene Webauftritte, Visitenkarten, Versicherungsnachweise und Rechnungen an Drittkunden. Wer hier sauber arbeitet, reduziert das Risiko einer späteren Umqualifizierung erheblich.
Auch operativ gilt: Abstand halten. Kein fester Arbeitsplatz, kein Zugriff auf interne Systeme, keine Einbindung in das Teamgefüge. Setzen Sie bewusst auf externe Kommunikationstools, um Nähe zu vermeiden.
Zukunftstrends
Die Remote-Work-Ära schafft neue Grauzonen. Ist eine Softwareentwicklerin in Italien als selbständig zu betrachten, wenn sie täglich in online-Meetings mit dem deutschen Auftraggeber sitzt? Und wie ist das mit dem Support-Mitarbeiter, der von Thailand aus arbeitet? Das Thema „virtuelle Eingliederung von Freelancern in das Unternehmen“ hat längst Fahrt aufgenommen. Und im Zeitalter Künstlicher Intelligenz dürfte es eine Frage der Zeit sein, bis es Prüfverfahren gibt, die Kommunikationsdaten entsprechend auswerten können.