Drei große Nüsse sind zu knacken
Drei aktuelle arbeitsrechtliche Themen wirken sich besonders stark auf die Personalarbeit deutscher Unternehmen aus: Arbeitszeiterfassung, Workation und Entgelttransparenzgesetz. Genau darüber haben wir mit der renommierten Arbeitsrechtlerin Dr. Michaela Felisiak gesprochen – und wichtige Informationen erhalten.
Liebe Michaela, das Stechuhr-Urteil des EUGH zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung in den EU-Staaten ist nun bereits 5 Jahre alt – und noch immer hat die Bundesregierung das deutsche Arbeitszeitgesetz nicht entsprechend angepasst. Wie sollen Unternehmen dieses fortgesetzte Vakuum füllen, wie sollen sie in puncto Arbeitszeiterfassung handeln?
Unternehmen sollten die Zwischenzeit nutzen und prüfen, inwieweit Handlungsbedarf besteht. Es gibt bereits jetzt eine Arbeitszeiterfassungspflicht, die Rechtsprechung ist eindeutig: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte am 13. September 2022 fest, dass Arbeitgeber ein System zur Erfassung der geleisteten täglichen Arbeitszeit einführen müssen, welches Beginn und Ende der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden erfasst. Zur Form und Ausgestaltung des Ganzen sind nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bisher keine Vorgaben ersichtlich. Vielmehr hat das BAG festgestellt, dass die Arbeitszeiterfassung nicht zwingend elektronisch erfolgen muss, es genügen auch Aufzeichnungen in Papierform.
Als Reaktion auf dieses Urteil hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im April 2023 einen Vorschlag zur Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz und im Jugendarbeitsschutzgesetz erstellt, der scharf kritisiert wurde und erstmal wieder verschwand. Dennoch besteht rechtlich gesehen bereits heute die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung und Unternehmen sollten prüfen, inwieweit hier Prozesse bzw. Systeme etabliert werden müssen. Außerdem munkelt man, das derzeitige Vakuum könnte kurzfristig beendet werden. Dann lohnt es sich erst recht, die Zwischenzeit genutzt zu haben.
Der zweite Brennpunkt ist “Workation“. Der Ausdruck hört sich erst einmal prima an, Arbeit und ein bisschen Urlaub in anderen Ländern ist en vogue. Doch aus Sicht der Personalabteilung ist das alles andere als einfach. Warum eigentlich?
Das ist vollkommen richtig. Das liegt daran, dass Workation, sei es innerhalb der EU oder in Drittstaaten, verschiedene rechtliche Risiken und Verpflichtungen mit sich bringt. Ähnlich wie bei einer Entsendung oder Mobilarbeit aus dem Ausland. Der Unterschied besteht darin, dass Workation persönlich motiviert ist und Arbeitgeber diesem Verlangen nachgeben. Rechtlich macht das aber keinen Unterschied. Bei jeder Tätigkeit eines Arbeitnehmers im Ausland stellen sich zahlreiche Themen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten. So muss in jedem Einzelfall garantiert sein, dass die arbeitsrechtlichen Standards des jeweiligen Ziellands eingehalten werden. Ferner muss geklärt werden, dass durch die Workation-Tätigkeit keine Ausgründung einer Betriebsstätte im Zielland entsteht und auch datenschutzrechtlich in der Zeit der „nichts anbrennt“. Dies sind nur einige Beispiele. Die ganze Wahrheit ist weitaus komplexer – und mit erheblichen Risiken behaftet.
Kommen wir nun zum neuen Entgelttransparenzgesetz, das bald in Kraft tritt und jede Menge neuer Arbeit für Unternehmen mit sich bringen dürfte. Worum geht es genau?
Es gibt in Deutschland bereits seit 2017 das Entgelttransparenzgesetz. Nun muss allerdings bis zum 07. Juni 2026 die europäische Entgelttransparenz-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden, die darüber hinaus gehende schärfere Regelungen vorsieht. Hintergrund ist, dass es in vielen europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, nach wie vor signifikante Unterschiede in der Entlohnung von Männern und Frauen gibt – das sogenannte Gender Pay Gap. Diese Ungerechtigkeit zieht sich durch viele Branchen und Unternehmensgrößen. Auch aus der Rechtsprechung kennen wir dies. So urteilte das Bundesarbeitsgericht im Februar des vergangenen Jahres, dass Arbeitgeber Lohnunterschiede nicht durch Verhandlungsgeschick rechtfertigen können. Hieran knüpft die europäische Entgelttransparenz-Richtlinie an. Ziel der Richtlinie ist es, alle Lohnunterschiede aufzudecken und reduzieren, um sicherzustellen, dass gleiche oder gleichwertige Arbeit auch gleich entlohnt wird. Du hast vollkommen recht, dass wird für Unternehmen jede Menge Arbeit bedeuten, da die Richtlinie unterschiedliche Berichtspflichten, Offenlegungs- und Informationspflichten vorsieht.
Es kommt also einiges auf die Personalabteilungen zu. Liebe Michaela, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte
Markus Matt
(Gastautor)