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Experten empfehlen Abschaffung
Der Rat der Arbeitswelt hat sich mit seinen jüngsten Forderungen insbesondere in Arbeitgeberkreisen keine Freunde gemacht. Das Expertengremium Berlin empfiehlt in seinem neuen Arbeitswelt-Bericht unter anderem die Abschaffung der geringfügigen Beschäftigungen in Deutschland. Den Fachleuten zufolge sollen alle künftig geschlossenen Teilzeitbeschäftigungen unabhängig vom Arbeitszeitumfang grundsätzlich steuer- und sozialversicherungspflichtig sein. Der Bericht weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass infolge der Pandemie mehr als eine halbe Million Minijobs weggefallen sind. Vorgeschlagen werden allerdings ein Bestandschutz für bereits existierende Minijobs und besondere Regelungen für bestimmte Gruppen.
Rat der Arbeitswelt
- Der vom Bundesarbeitsminister berufene "Rat der Arbeitswelt" informiert und berät Politik, betriebliche Praxis und Öffentlichkeit regelmäßig zum Wandel der Arbeitswelt.
Reform der Minijobs gefordert
Der Bericht betrachtet die geringfügige Beschäftigung nicht zuletzt aufgrund der vielen Entlassungen im Zuge der Pandemie als nicht krisenfest, sieht in dieser Art der Beschäftigung aber auch nicht die erhoffte „Brücke in eine sozialversicherungspflichtige Anstellung“ und befürchtet insoweit ein Ausbremsen des Fachkräftepotenzial durch das Verharren fachkundiger Beschäftigter in Minijobs. Außerdem wird dringend eine Angleichung dieses Sektors an die übliche Steuer- und Sozialversicherungspflicht empfohlen, Ausnahmen soll es nur im Rahmen eines Bestandschutzes und für Beschäftigtengruppen wie Schüler, Studenten und Rentner geben.
Maßnahmen für Solo-Selbständige
Für die rund 2,2 Millionen Solo-Selbständigen in Deutschland empfiehlt der Rat neben einem vereinfachten Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung einen niedrigeren Mindestbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung und eine verpflichtende Altersvorsorge. Außerdem raten die Experten zu einem verständlichen Kriterienkatalog mit Blick auf das grassierende Phänomen der Scheinselbständigkeit.
Das Home-Office von morgen
Für das Home-Office der Zukunft fordern die Fachleute gesetzliche Rahmenbedingungen und betriebliche Regeln, welche ein „gesundheitsgerechtes und produktives Arbeiten“ im Home-Office sicherstellen. Hier geht es unter anderem um die Themen Erreichbarkeit im Home-Office, ergonomische Ausstattung am Arbeitsplatz zuhause und Datenschutz. Auch die Arbeitszeiterfassung soll standardisiert werden, vor allem mit Blick auf mobiles Arbeiten und die Arbeit von zuhause aus. Ebenfalls angeraten wird regelmäßige Präsenz der Beschäftigten im Unternehmen, um den direkten Austausch zu garantieren.
Stärkung des Pflegesektors
Deutschland braucht nach Meinung des Expertenrates mehr qualifizierte Pflegekräfte. Um dies zu erreichen, werden unter anderem eine bessere Bezahlung und ein stärkerer Gesundheits- und Arbeitsschutz angeraten. Die Aus- und Weiterbildung in den Pflegeberufen soll höheren Standards gehorchen und stärker gefördert werden. Zusammenfassend wird die Entwicklung einer staatlichen „Digitalen Agenda“ für den Pflegebereich gewünscht.
Lebenslanges Lernen verbessern
Auch mit der beruflichen Weiterbildung befasst sich der Bericht und schlägt eine nochmals steigende staatliche Förderung vor, beispielsweise durch die Anhebung der Altersgrenze des BAföG konstatiert die hohe Bedeutung finanzieller Faktoren im Rahmen von Bildungsmaßnahmen. Auch Qualitätsstandards für Weiterbildungsanbieter werden thematisiert.
Lob und Tadel
Der Arbeitgeberverband BDA reagierte ablehnend. Hauptgeschäftsführer Kampeter mahnte an, Unternehmen und Beschäftigte forderten Freiheiten und Flexibilität, den Gesetzgeber brauche es da nicht. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Beate Müller-Gemmeke begrüßte hingegen die Schlussfolgerungen des Rats. So wollten die Grünen dafür sorgen, „dass geringfügige Beschäftigung stark eingedämmt und in sozialversicherungspflichtige Arbeit umgewandelt wird“.